27.05.2011

Regel 21 - Die Verschiedenartigkeit der Menschen als Ausdruck göttlicher Kreativität

We were all created in God’s image and yet we were each created different and unique. No two people are alike. No two hearts beat to the same rhythm. If God had wanted everyone to be the same, He would have made it so. Therefore disrespecting differences and imposing your thoughts on others is tantamount to disrespecting God’s holy scheme.

Wir wurden alle nach dem Bild Gottes erschaffen, und doch wurden wir alle unterschiedlich und einzigartig erschaffen. Keine zwei Menschen sind gleich. Keine zwei Herzen schlagen im gleichen Rhythmus. Wenn Gott gewollt hätte, dass alle gleich sind, hätte er es so gemacht. Also ist es die Geringschätzung der Unterschiede und das Aufdrängen deiner Gedanken anderen gegenüber gleichbedeutend mit der Geringschätzung von Gottes heiligem Entwurf.


Das Zitat weist darauf hin, wie unendlich vielfältig Gott sein muss, wie unerschöpflich seine/ihre Kreativität. Unsere Individualität ist ein Ausfluss dieser Schöpfungskraft und bildet einen Beitrag zur Mannigfaltigkeit und Schönheit dieser Welt. Das sollten wir uns bewusst machen, wenn wir an uns zweifeln oder wenn wir den Zweifel, den andere an uns haben, übernehmen. Das heißt nicht, dass wir vollkommen und makellos sind. Wir sind einmalige sich entwickelnde Wesen, die lernen und integrieren, und wieder lernen und integrieren, solange Leben in uns ist.
Sicher tun wir uns schwer (und das ist ein wichtiger Bereich des Lernens), alle Aspekte dieser Schöpfung wertzuschätzen, vieles tritt uns entgegen, das offensichtlich unserem Geschmack, unserer Empfindlichkeit und unserem Lebensplan entgegensteht. Wir reiben uns da und reiben uns dort, unsere eigenen Kanten werden dadurch schärfer. Unsere Individualität gewinnt an Kontur, der Unterschied zu den anderen wird deutlicher.

Die Kehrseite dieser Medaille ist das Anpassen und Angleichen an andere. In den vielfältigen sozialen Interaktionen, in denen wir uns bewegen, stellen wir uns häufig auf unsere Gegenüber ein. Unser Unterbewusstsein gibt uns vor, wie wir uns verhalten sollen, damit uns die anderen wohlgesonnen sind. Wir nehmen unsere eigenen Impulse zurück, damit wir eben nicht anecken, sondern sympathisch erscheinen. Dabei machen wir Abstriche von unserer Individualität zugunsten der Übereinstimmung, so dass oft die Partner einer langjährigen Ehe einander sehr ähnlich werden, oder Hundebesitzer die Verhaltensweise ihrer Haustiere übernehmen.

Wobei wiederum die Art und Weise, in der wir uns anpassen, Ausdruck unserer Individualität ist. Jede Person passt sich anders und bei anderen Gelegenheiten und Situation an.

Deshalb sollten wir unsere Individualität nicht als feststehende Größe sehen, sondern als Konstrukt, das sich dauernd verändert. Wir machen Annahmen darüber, wer oder wie wir sind, die schon im nächsten Moment nicht mehr stimmen können. Die Art und Weise, wie und wann wir solche Annahmen treffen, ist schon wieder Ausdruck unserer Besonderheit.

Weil wir solche Probleme haben, das Geheimnis unserer Individualität als Geschenk anzunehmen und als unergründliches Rätsel wertzuschätzen, neigen wir dazu, anderen unsere Eigenart aufzudrängen, indem wir z.B. annehmen, andere müssten so denken oder handeln wie wir selbst. Oder indem wir andere kritisieren für die Art und Weise, wie sie denken oder handeln. Oder indem wir anderen vorschreiben wollen, wie sie denken oder handeln sollten. Und so weiter....

Wir gehen auf der Straße, es ist eng, jemand geht vor uns, aber zu langsam für unser Tempo. Sofort kommt die innere Stimme, die diese andere Person schlecht macht, weil sie nicht so geht, wie es für uns am besten passt. Wenn wir statt dessen den Gedanken zulassen, dass die andere Person vielleicht gerade mehr Muße hat als wir uns selbst gerade gönnen, anerkennen wir die Individualität dieser Person und machen uns selbst lernwillig, bereit, von anderen etwas aufzunehmen und sehen darin ein Stück von unserer eigenen Besonderheit.

Oder wir sind in einer ähnlichen Situation, nur müssen wir uns gerade nicht beeilen, jedoch jemand hinter uns will uns überholen und wir lehnen diese Person gleich als Drängler ab. Wir können statt dessen ein anderes Konzept suchen, dass diese Person uns erlaubt, unsere Flexibilität und unsere Fähigkeit zum Ausweichen herausfordert. Schon anerkennen wir die andere Person und uns selbst in unserer Individualität und Lernfähigkeit.

So öffnen wir unser Blickfeld für die komplexe Welt der Menschen in ihren verschiedenartigen Beziehungsnetzen und Lebenswegen als Bereicherung statt als Behinderung und Einschränkung. Wenn uns das gelingt, können wir eine innere Erleichterung spüren, ein Weiten für ein größeres Ganzes, über unser begrenztes Denken hinaus, das ja nur ein winziger Teil der Besonderheit ist, die wir sind.

* * *
Die Regeln sind dem Roman von Elif Shafak  “The Forty Rules of Love” (2010 - noch nicht auf Deutsch erschienen) entnommen. Diese "Regeln" sind aus dem Schreiben des Romans entstanden und durch die mystischen Lehren des Sufismus inspiriert. http://www.elifshafak.com/
In deutscher Übersetzung ist das Buch 2013 im Kein&Aber-Verlag erschienen.

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