26.06.2011

Regel 13: Wahre und falsche Lehrer

There are more fake gurus and false teachers in this world than the numbers of stars in the visible universe. Don’t confuse power-driven self centred people with true mentors. A genuine spiritual master will not direct your attention to himself or herself and will not expect absolute obedience or utter admiration from you, but instead will help you to appreciate and admire your inner self. True mentors are as transparent as glass. They let the Light of God pass through them.

Es gibt mehr falsche Gurus und Lehrer in dieser Welt als die Zahl der Sterne, die im Universum sichtbar sind. Verwechsle nicht machtgetriebene selbstbezogene Leute mit wahren Mentoren. Ein wirklicher spiritueller Meister wird deine Aufmerksamkeit nicht auf sich ausrichten und wird von dir keinen absoluten Gehorsam oder äußerste Bewunderung erwarten. Statt dessen wird er oder sie dir helfen, dein inneres Selbst zu schätzen und zu bewundern. Echte Mentoren sind durchsichtig wie Glas. Sie lassen das Licht Gottes durch sie hindurchscheinen.



Wer auf der Suche fündig geworden ist, möchte diesen Fund teilen. Das ist Teil unserer menschlichen Natur. Selbst der Goldgräber, der seinen Nugget nach Jahren des Suchens ausgeschwemmt hat, muss seine Freude teilen, auch wenn er den Neid und die Gier seiner Kumpane fürchten sollte. Wir wollen Menschen daran teilhaben lassen, was uns selbst wertvoll ist. Sie sollen auch davon profitieren. Wir wollen lehren, was wir gelernt haben. Für jedes wertvolle Wissen gibt es Wissbegierige, die dieses Wissen für sich nutzen wollen.

Und dann kommen wir an eine Weggabelung, die wir allzu leicht übersehen. Lassen wir unseren Mitmenschen, die Vertrauen zu uns aufgebaut haben, die Freiheit, aus unseren Beschenkungen das auszuwählen, was ihnen wertvoll ist oder setzen wir sie unter Druck, noch mehr davon zu nehmen, als ihnen selber lieb ist? Mischt sich in unser Teilen unser Ego ein, das es besser wissen will, was für die andere gut ist? Sollen die anderen an genau meinem Wesen genesen, auf meine Art auf ihrem Weg weiterkommen? 

Vielleicht sind wir, ohne es zu merken, schon abgezweigt, und befinden uns auf der Straße der verblendeten Lehrer. Wir haben Schüler, die von unseren Lippen lesen und unsere Einsichten zitieren, ehrfürchtige Fragen stellen und unsere Anweisungen befolgen, stets Dankbarkeit zeigen und uns weiterempfehlen. Diese Erfolge blenden uns mit ihrem verführerischen Licht. Es ist nicht unser Licht, das wir da vermeintlich über unsere Schüler ausbreiten. Es ist ihr Licht, das aus dem ehrlichen Wunsch nach Wahrheit, Erkenntnis und Liebe strahlt, das wir uns zu Eigen machen und ihnen wieder zurückgeben. Wir selbst sind dann schon am Weg zur pädagogischen und spirituellen Ausbeutung. 

Der nächste Schritt der Verblendung zeigt sich, wie wir mit Kritik und Beschwerden umgehen: „Wenn du mit etwas nicht zurecht kommst, was ich dir sage, zeigt das, dass du an dir selber etwas nicht akzeptieren kannst. Schau dir das an, dann wird deine Kritik verstummen.“ „Du hast dir das so ausgesucht, das war deine eigene unbewusste Wahl, sei froh, dass dir jetzt die Einsicht darüber gezeigt wird.“ Wir spiegeln also jedes Feedback zurück zum Schüler und sind damit immer selber aus dem Schneider. Der Schüler mag daraus für sich lernen, was sein innerer Anteil an der Kritik war, er sollte aber auch lernen, dass sein Lehrer in diesem Punkt nicht transparent, sondern überschattet ist.

Jede Lehrerin hat Schatten, als Teil ihrer Menschlichkeit. Es ist nicht notwendig, dass die Lehrerin ihre Schatten vor den Schülerinnen ausbreitet, denn damit stellt sie sich selber in den Mittelpunkt und die Schülerinnen an den Rand; es ist aber auch schädlich, wenn sie sich als vollkommen präsentiert, denn damit nimmt sie sich erst recht selber für wichtiger als die Schülerinnen. Solange sie selber um ihre Schatten weiß und sich um deren Aufhellung kümmert, ist sie eine gute Lehrerin. Solange sie die Schatten aus ihrer Arbeit mit den Schülern heraushalten kann, solange sie also nicht das Licht trüben, das sie durch sich hindurch strahlen lässt, ist sie auf dem richtigen Weg. Die Lehrerin sollte sich immer wieder vergewissern, dass sie selber immer Schülerin bleiben wird, Schülerin der größeren Weisheit, der sie alles schuldet, was sie lehren kann. Und dass sich diese größere Weisheit immer auch durch die Schülerinnen offenbart, gerade dort, wo sie mit unangenehmen Fragen oder Kommentaren kommen. Die Lehrerin sollte sich immer bewusst sein, dass Lehren Gnade und Verantwortung ist. Gute Lehrerinnen kann man auch daran erkennen, ob sie humorvoll mit anderen und vor allem auch mit sich selbst umgehen können.

Wie Lebensabschnittspartnerschaften gibt es auch Lebensabschnittlehrer, also Lehrer, die für eine Phase des Lebens wichtig sind. Der richtige Lehrer in einer Lebensperiode kann zum Falschen werden, wenn die Etappe des Weges vorbei ist, auf der der Lehrer den Schüler begleiten konnte. Problematisch ist es auch, wenn die Beziehung dort weitergeht, wo der Lehrer bereits überfordert ist und nicht mehr wirklich begleiten kann. Es läge am Lehrer zu erkennen, wann er den Schüler entlassen und weiterschicken sollte. Doch die Verblendung, ein vollkommener Lehrer zu sein, kann ihn ab davon abhalten. In diesem Fall wird es mühsam für den Schüler, den Weg selber zu finden, manchmal wird es auch schmerzhaft und konfliktbeladen, vor allem, wenn aus einer freien schon vorher eine abhängige Lehrer-Schüler-Beziehung geworden war.

Der Anspruch an einen Lehrer, ganz transparent zu sein, ist hoch, und es sind immer Menschen, an die er ergeht. Wenn wir nach dem vollkommen transparenten Lehrer suchen, kann es sein, dass wir nie fündig werden. Deshalb ist es besser, nachzuspüren, was uns der Lehrer, zu dem es uns hinzieht, geben kann, und wo die Grenzen sind. Wir brauchen nicht den perfekten Lehrer, sondern den, der uns dort weiterhelfen kann, wo wir Hilfe brauchen, bis wir selbständig geworden sind. Der gute Lehrer macht sich selbst überflüssig, damit der Schüler selber Lehrer werden kann.


Die Regeln sind dem Roman von Elif Shafak  “The Forty Rules of Love” (2010 - noch nicht auf Deutsch erschienen) entnommen. Diese "Regeln" sind aus dem Schreiben des Romans entstanden und durch die mystischen Lehren des Sufismus inspiriert. www.elifshafak.com
In deutscher Übersetzung ist das Buch 2013 im Kein&Aber-Verlag erschienen.

1 Kommentar:

  1. wunderbar und klar meine eigenen eindrücke und gedanken wiedergegeben, die aufgrund meiner inneren struktur immer wieder in eigenem anzweifeln mündeten, und ebenfalls immer wieder zum bauchgefühl zurückkehrten - doch auch dieses zweifeln hat gestärkt und sicherer gemacht. es tut gut, jetzt auch so klar im eigenen gefühl bestätigt zu werden.

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