07.06.2011

Regel 24: Der Atem des Lebens

The human being has a unique place amongst God’s creation. “I breathed into him of My Spirit,” God says. Each and every one of us without exception is designed to be God’s delegate on earth. Ask yourself, just how often do you behave like a delegate, if you ever do so? Remember, it falls upon each of us to discover the divine spirit inside and live by it.   

Der Mensch hat einen einzigartigen Platz in der göttlichen Schöpfung. „Ich habe von meinem Geist in ihn geatmet“, spricht Gott. Jeder von uns ohne Ausnahme ist dazu bestimmt, Gottes Botschafter auf Erden zu sein. Frage dich, wie oft du dich wirklich als ein Botschafter verhältst, oder ob du es überhaupt jemals machst? Erinnere dich, es fällt uns allen zu, dass wir den göttlichen Geist in uns entdecken und nach ihm leben.


Aus der Bibel ist uns das Zitat vertraut, dass Gott Adam das Leben eingehaucht hat, der Atem dient also am Anfang der Schöpfung als Überträger der Lebenskraft. „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (Gen 2). Das Geheimnis des Lebens ist gleich dem Geheimnis des Atems. Wie jedes Menschenwesen sein eigenes Leben gleich nach der Geburt mit einem Atemzug beginnt, steht der Atem am Anfang des gesamten menschlichen Lebens.

Die Bibel unterscheidet damit den Beginn des Menschseins von allen anderen Schöpfungsakten und streicht die Sonderstellung des Menschen hervor: er muss beatmet werden, um leben zu können, d.h. er muss aufnehmen, was ihm eingehaucht wird, sein Eigenes daraus machen und es wieder ausatmen. So kommt der menschliche Lebensprozess in Gang, der also ein Austausch- und Stoffwechselprozess ist, ein kommunikativer Prozess.

In den Überlieferungen des Islam heißt es darüber hinaus in Bezug auf den Anbeginn des Menschseins, Gott habe von seinem Geist in den Menschen geatmet. Dadurch wird eine noch innigere Verbindung zwischen Gott und Mensch zum Ausdruck gebracht: Gott haucht dem Menschen nicht nur Leben ein, sondern auch seinen Geist. Der Mensch ist also Geschöpf nicht nur im Sinn eines Lebewesens, das sein Überleben sichert und seine Fortpflanzung vollzieht, sondern wird darüber hinaus gleichsam mit dem Geist Gottes imprägniert. Menschsein ist damit zugleich göttliches Sein, indem der göttliche Geist in uns als sein Atem wirkt. Wir können also nicht anders, als geistig zu sein, so sehr auch immer wir uns bloß auf unsere Überlebenssicherung beschränken.

Dieses Geistig-Sein bedeutet weiters, dass der Mensch die Göttlichkeit in physischer Form repräsentiert. Er wandelt auf Erden als Körper-Geist-Einheit, also als jemand, der diesen Atem bekommen hat und aus ihm genauso lebt wie von Brot und Wein. Darüber hinaus heißt es, dass er diesen Geist nicht bekommen hat, um ihn nur für sich selbst zu nutzen, sondern um ihn genauso weiterzugeben, wie er ihn bekommen hat, indem er seine Mitmenschen beatmet, indem er sie inspiriert. Dann ist er der Botschafter, der Verbreiter der Kunde vom Göttlichen, das Kommunikation, Austausch, Liebe ist.

Darum sind die Weisheitslehrer so sicher, dass sie zu jedem Menschen sprechen, wenn sie diese Göttlichkeit des Menschen verkünden. Sie wollen damit die Erinnerung wachrufen an dieses intime Beatmetwerden, an diese Ur-Inspiration. Das Wiederentdecken der Beatmung weckt unmittelbar und unausweichlich den Wunsch, die Kraft des Atems, also die Kraft des göttlichen Geistes, weiterzugeben, andere zu beatmen und damit ihre Göttlichkeit zu stärken und zu vermehren.

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Die Regeln sind dem Roman von Elif Shafak  “The Forty Rules of Love” (2010 - noch nicht auf Deutsch erschienen) entnommen. Diese "Regeln" sind aus dem Schreiben des Romans entstanden und durch die mystischen Lehren des Sufismus inspiriert. www.elifshafak.com
In deutscher Übersetzung ist das Buch 2013 im Kein&Aber-Verlag erschienen.

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